Was ist Ibogain?
Ibogain wird aus der Wurzelrinde des in Zentral- und Westafrika beheimateten Ibogastrauchs Tabernanthe iboga gewonnen. Es ist ein Alkaloid aus der Gruppe der Indolalkaloide und stammt biogenetisch von Tryptophan ab. Wegen seiner psychoaktiven, halluzinogenen Eigenschaften wird die Substanz schon seit vielen Jahrhunderten von indigenen Völkern, wie den Fang und den Mitsogo, in West- und Zentralafrika verwendet. Diese verwenden Ibogain zu medizinischen Zwecken, aber auch bei religiösen Zeremonien, Übergangsriten und zur spirituellen Bewusstseinserweiterung. Dabei wird traditionell die bitter schmeckende Iboga-Wurzel klein gehackt oder gemahlen und oral konsumiert.
Zum ersten Mal im Labor extrahiert wurde das Halluzinogen 1901. Bei Tierversuchen mit Hunden beobachteten französische Pharmakologen, dass die Einnahme von Ibogain eine Art Erregung sowie ungewöhnliches Verhalten hervorruft. Daraus folgernd vermuteten Forscher, dass es sich um ein Halluzinogen handeln könnte. In den nächsten Jahren folgten weitere klinische Untersuchungen zu dem damals wenig bekannten Alkaloid. In den 1930 Jahren erschien in Frankreich das Medikament unter dem Namen Lambarene; die Tabletten enthielten 8 mg Ibogain und wurden zur Behandlung von Müdigkeit, Depressionen und Infektionskrankheiten verwendet.
1962 entdeckte der damals heroinabhängige US-Amerikaner Howard Lotsof zufällig die suchtunterbrechende Wirkung von Ibogain. Er stellte fest, dass es hilfreiche Eigenschaften beim Entzug von Drogen, insbesondere Opiaten, besitzt. In den 80er Jahren meldete er mehrere Patente auf dessen Einsatz in Therapien für die Behandlung suchtkranker Patienten an. Was einem allerdings ein wenig mit Skepsis aufstoßen sollte ist, dass die USA schon wenige Jahre nach der Entdeckung des möglichen Potenzials des Alkaloids, Iboga und Ibogain aus nicht komplett nachvollziehbaren Gründen, für verboten erklärte und einige Jahre später sogar in die Dopingliste des Internationalen Olympischen Komitees aufnahm. Nichtsdestotrotz wurde Ibogain in Europa weiter erforscht, wo es heute zwar nicht mehr als Medikament erhältlich ist, jedoch in den meisten Ländern ebenso wenig als illegales Betäubungsmittel gilt.
Die Wirkung von Ibogain
Ibogain ist ein Psychedelika mit stimulierenden und halluzinogenen Eigenschaften. Wird der Wirkstoff in geringen Dosen verabreicht, löst er stimmungsaufhellende, antidepressive Effekte aus. Bei der Einnahme einer höheren Dosis, also ab 5-10 mg pro Kilogramm Körpergewicht, berichten Probanden von traumähnlichem Erleben, sowie intensiv emotionalem und religiös-mystischen Empfinden. Da bei geöffneten Augen keine Halluzinationen oder kaum visuelle Veränderungen auftreten, lässt es sich nicht mit anderen Psychedelika wie LSD oder Meskalin vergleichen. Aus diesem Grund wird für die Beschreibung der Wirkung auch gerne das Wort “oneirisch” verwendet, was so viel wie Traum-erzeugend bedeutet. Ein Ibogain-Trip lässt sich in der Regel in drei Phasen aufteilen:
- In Phase 1, die etwa vier bis acht Stunden andauert, erlebt der Konsument eine Art Wachtraum, während dem sich Sinneswahrnehmungen ändern und Erinnerungen an frühere Lebensereignisse auftreten können.
- Phase 2 erstreckt sich über einen Zeitraum von acht bis zwanzig Stunden; Konsumenten beschreiben neutrale Gefühle und reflektierende Gedanken.
- In der dritten Phase, die bis zu 72 Stunden nach der Einnahme anhalten können, wird von einem erhöhten Bewusstseinsempfinden, leichten Stimulationen und eventuell gestörten Schlafmustern berichtet.
In Bezug auf die medizinischen Aspekte wird ein Rückgang von Entzugserscheinungen und dem Verlangen nach schädlichen Substanzen wie Alkohol, Nikotin, Opiate, Kokain und Methamphetamin dokumentiert. Ibogain soll die Abstinenz erleichtern und das Risiko auf Rückfälle und Abhängigkeit vermindern.
Nebenwirkungen von Ibogain
Die Einnahme höherer Dosen von Ibogain oder Iboga-Pflanzenmaterial kann zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Es wird von Krämpfen, Lähmungserscheinungen und sogar Tod durch Atemstillstand berichtet. Zudem besteht die Gefahr von Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die Herzrhythmusstörungen auslösen können. Bei geringer Dosierung kommt es unter Umständen zu Übelkeit, Benommenheit und Appetitlosigkeit.
Einer Forschergruppe aus dem Labor von Dr. David Olson an der University of California ist es gelungen, ein nicht halluzinogenes, nebenwirkungsarmes, aber ähnlich entzugsförderndes Derivat von Ibogain zu synthetisieren, welches Tabernanthalog (TBG) genannt wird.
Studien über die Wirkungsmechanismen von Ibogain
Seit der Entdeckung des suchthemmenden Potenzials von Iboga und Ibogain wurden an verschiedenen Universitäten zahlreiche Studien zu den Eigenschaften und Wirkungsmechanismen des Alkaloids durchgeführt. Auch wenn die pharmakologischen Mechanismen noch nicht vollständig entschlüsselt sind, deuten verfügbare Daten auf wertvolle Eigenschaften bei Substanzgebrauchsstörungen hin. Ergebnisse aus Tests an Zellkulturen und Tiermodellen lassen vermuten, dass Ibogain eine Erhöhung des Nervenwachstumsfaktors GDNF im Gehirn anregt.[1]
Beispielsweise haben Untersuchungen mit an Alkohol gewöhnten Ratten ergeben, dass ein erhöhter GDNF-Spiegel dazu führt, dass diese bei der Selbstverabreichung weniger Ethanol konsumieren. Auch nach einer zweiwöchigen Abstinenzphase war die Rückfallquote geringer als bei unbehandelten Kontrollgruppen. Weitere Studien legen nahe, dass auch der NMDA-Rezeptor Antagonismus an der Wirkung von Ibogain beteiligt sein könnte. Ketamin, das ebenfalls antidepressive Eigenschaften besitzt, agiert ebenfalls an diesen Rezeptoren. Iboga blockiert zudem nikotinische A3ß4-Rezeptoren und bietet eine mögliche Erklärung für die Verminderung von Alkohol- und Nikotinaufnahme, nach der Einnahme des Iboga-Derivats 18-MC.
Ein Fallbeispiel aus einer Studie von Cloutier-Gill berichtet von der Behandlung einer 37-jährigen Patientin, welche über 19 Jahre dem Missbrauch von Opiaten verfallen war. Über einen Zeitraum von vier Tagen erhielt sie insgesamt 32 mg/kg Ibogain-HCI, sowie am zweiten Tag 32 mg und am vierten Tage 45 mg Hydromorphen. Nach der Behandlung konnte die Patientin 18 Monate lang eine Opioid-Abstinenz aufrechterhalten.[2]
In einer weiteren Studie mit 88 opiatabhängigen Patienten, von denen 72 % der Teilnehmer seit mindestens vier Jahren Opioide konsumierten, gaben 80 % an, dass Ibogain die Entzugserscheinungen beseitigte oder drastisch reduzierte. Die Hälfte der Teilnehmer berichtete, dass sich ihr Verlangen nach Opioiden verringerte, während 25 % angaben, dass dieser Zustand über drei Monate anhielt. 30 % der Patienten teilten mit, dass sie nach der Behandlung mit dem Halluzinogen nie wieder Opioide verwendeten und 54 % blieben mindestens ein Jahr abstinent.[3]
Schlussfolgerung über die Behandlung mit Ibogain bei Drogensuchterkrankungen
Werden Behandlungen mit Ibogain ordnungsgemäß durchgeführt und von medizinischen Fachkräften überwacht, gelten sie als sicher und erfolgversprechend. Auch wenn es einige Fallberichte über Todesfälle und Nebenwirkungen gibt, die mit Ibogain in Verbindung stehen können, mangelt es an Forschung und Studien, die zuverlässige Resultate liefern.
Rechtslage von Ibogain
In den meisten EU-Ländern fällt Ibogain nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, darf aber auch nicht von Ärzten zu medizinischen Zwecken verabreicht werden. In Norwegen ist Ibogain illegal und auch in Schweden wird es als Klasse-I-Substanz reguliert. In den USA, die über 2,5 Millionen opiatabhängige Bürger zählt, ist Ibogain schon seit vielen Jahrzehnten eine verbotene Substanz.
Fazit
Ibogain ist ein pflanzlicher Wirkstoff und Psychedelikum, das ein hohes, allerdings noch nicht ausreichendes Potenzial bei der Behandlung von Substanzgebrauchsstörungen besitzt. Das Alkaloid in geringen Dosen besitzt antidepressive Eigenschaften und löst bei höherer Dosierung Rauschzustände aus. Derweil mangelt es an Forschungsergebnissen, insbesondere bei Suchterkrankungen und einem damit verbundenen erfolgreichen Entzug, weswegen Ibogain unter anderem zurzeit nicht (mehr) in der Medizin eingesetzt wird.
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