Medikation statt Freizeit-Konsum: Sonderregeln für Patienten
Fangen wir gleich mit zwei spannenden Fragen an: Warum werden Cannabis-Patienten rechtlich anders behandelt als Menschen, die aus nicht-medizinischen Gründen Cannabis konsumieren? Und welche Vorteile genießen Cannabis-Patienten?
Warum gelten für Cannabis-Patienten Sonderregeln?
Es gibt sicherlich viele Gründe für den Cannabiskonsum. Um es uns etwas einfacher zu machen, unterscheiden wir an dieser Stelle jedoch nur den Konsum aus medizinischen Gründen und den Konsum, um sich zu berauschen.
Wer berauscht ist, darf prinzipiell nicht am Straßenverkehr teilnehmen, da die Fahrtüchtigkeit in aller Regel nicht gegeben ist – unabhängig von der konsumierten Droge. Im Gegensatz dazu wird bei einem Patienten – je nach Art der Grunderkrankung – die Fahreignung durch die Einnahme eines Arzneimittels (in unserem Fall Cannabis) erst hergestellt. Zudem wird von Seiten des Gesetzgebers pauschal angenommen, dass Cannabis-Patienten im Hinblick auf ihren Konsum grundsätzlich zuverlässig und verantwortungsbewusst sind. Cannabis-Patienten dürfen also Cannabis konsumieren und dennoch (unter bestimmten Voraussetzungen) mit dem Auto fahren.
Welche rechtliche Grundlage gilt für Cannabis-Patienten?
Folglich wird der Cannabis-Patient in der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nicht unter die Nr. 9.2 der Anlage 4 eingeordnet, also der “illegalen Einnahme von Cannabis”, sondern unter die Nr. 9.4 und die Nr. 9.6.2 (“Einnahme von Arzneimitteln”). Alleine an der Formulierung der “illegalen Einnahme von Cannabis” erkennst du bereits, dass die FeV dringend aktualisiert werden muss.[1]
Cannabis-Patienten – Vogelfrei und eine Gefahr für den Straßenverkehr?
Diese unterschiedliche Behandlung zwischen Cannabis-Patient und Freizeitkonsument führt regelmäßig zu Missverständnissen und Vorurteilen, insbesondere den folgenden zwei:
- Mit dem Erhalt eines Rezeptes dürften medizinische Konsumenten nach Belieben konsumieren und mit dem Auto fahren.
- Cannabis-Patienten seien eine Gefahr für den Straßenverkehr, da sie regelmäßig den Grenzwert von 1 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum überschreiten.
Warum beides nicht der Fall ist, schauen wir uns jetzt genauer an.
Der Unterschied zwischen Grenzwert und Fahrtüchtigkeit
Es ist wahr, dass Cannabis-Patienten unter gewissen Voraussetzungen den THC-Grenzwert überschreiten dürfen. Anders wäre für sie eine Teilnahme am Straßenverkehr auch gar nicht möglich, denn wer sich in einer Dauerbehandlung mit Cannabis befindet, übersteigt noch Tage nach dem letzten Konsum den sehr niedrigen THC-Grenzwert von 1 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Das hat jedoch nur wenig mit der Fahrtauglichkeit zu tun – wenn überhaupt!
Tatsächlich ist der bestehende Grenzwert sehr streng und nur bedingt wissenschaftlich begründbar. In unserem umfassenden Ratgeber zur THC Nachweisbarkeit und weiteren Beiträgen zum Thema “Kiffen und Autofahren” zeigen wir anhand von interessanten Studien auf, warum der sogenannte Cut-Off-Wert von 1ng/ml wenig Sinn macht. So ist die Fahrtauglichkeit nach dem Konsum meist bereits nach 1-4 Stunden wieder vollständig hergestellt, wohingegen erst 8 Stunden nach dem letzten Konsum, 8 von 9 Konsumenten unter dem THC-Grenzwert liegen – und das gilt auch nur für Gelegenheitskonsumenten ohne eingelagertes THC. Patienten die regelmäßige THC einnehmen, dürften auch den geplanten THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum noch lange nach dem letzten Konsum überschreiten.[2][3]
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Cannabis-Patienten
Dass Cannabis-Patienten vogelfrei sind, ist ebenfalls ein unbegründetes Vorurteil. In Wahrheit gelten auch für Cannabis-Patienten strenge Regeln und Vorgaben.
So kann auch nach Nr. 9.4 die Fahreignung ausgeschlossen werden, unter anderem wenn es zu einer missbräuchlichen Einnahme von Arzneimitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen kommt. Als Cannabis-Patient sollte man daher besser auf den Konsum von Alkohol und anderen Drogen verzichten, um die Fahrerlaubnis nicht unnötig zu gefährden. Ebenso ist der Mischkonsum mit anderen Sorten Cannabis, als der vom Arzt verschriebenen Sorte, ein möglicher Grund, die Fahreignung auszuschließen.
Bei einer Dauerbehandlung mit Cannabis (oder anderen Arzneimitteln) muss die Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben sein und darf durch die Behandlung nicht unter das erforderliche Maß sinken (Nr. 9.6.2). Darüber hinaus darf Cannabismedizin nur streng nach der ärztlichen Verordnung eingenommen werden. Die Einnahme einer zu hohen Dosis (aber auch einer zu geringen) kann Zweifel an der Fahreignung hervorrufen.
Zudem darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß Nr. 9.4 und 9.6.2 auch bei der Einnahme von Cannabis als Medizin die Leistungsfähigkeit des Patienten, das Einnahmeverhalten und die Notwendigkeit der Einnahme von Cannabis überprüfen.
Die Vorteile des Patienten-Status
Wie du siehst, müssen auch Cannabis-Patienten Einiges beachten, damit sie am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Dennoch sollte man sich, wenn man Cannabis aus medizinischen Gründen konsumiert, um Cannabis auf Rezept bemühen, denn der Status eines Patienten bringt einige Vorteile mit sich:
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- Grundsätzlich dürfen Cannabis-Patienten am Straßenverkehr teilnehmen, sofern die Fahrtüchtigkeit durch die Einnahme nicht beeinträchtigt wird.
- Für Patienten gilt auch nicht der THC-Grenzwert im Blut von 1 ng/ml.
- Im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle (du bist also NICHT auffällig gefahren) drohen Cannabis-Patienten weder Geldstrafen noch ein medizinisch-psychologisches Gutachten.
- Häufig reicht das Vorzeigen eines Patientenausweise aus, um eine Polizeikontrolle zu beenden.
- Bestehen doch Zweifel an der Fahrtauglichkeit, darf die Fahrerlaubnisbehörde zwar eine ärztliche Begutachtung und eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen, jedoch unterscheidet sich diese in der Fragestellung von der klassischen Cannabis MPU. Zudem kommen Cannabis-Patienten um die teuren und umständlichen Nachweisen einer Drogenabstinenz herum.
Hier bekommst du dein Rezept!
Falls du dich für Cannabis auf Rezept interessierst, ist in der Regel der Hausarzt oder die Hausärztin deine erste Anlaufstelle. Unter sehr strengen Voraussetzungen ist es sogar möglich, dass die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung mit Cannabis übernimmt. In unserem großen Ratgeber zu medizinischem Cannabis kannst du dich genauer über die Bedingungen einer Kostenübernahme informieren.
Sollte deine Erkrankung nicht für eine Kostenübernahme in Frage kommen, besteht dennoch die Möglichkeit ein Cannabis-Rezept zu erhalten. In diesem Fall musst du die Kosten für das Rezept und deine Medikation jedoch selbst tragen. Bei vielen Telemedizin Anbietern kannst du ein kostenloses Erstgespräch vereinbaren und dich darüber informieren, ob für deine Erkrankung eine Behandlung mit Cannabis in Frage kommt. In der Regel erhältst du von den meisten Telemedizin-Anbieter neben dem Rezept auch einen Patientenausweis. Cannabis online bestellen ohne Rezept ist dagegen nicht möglich.
Tipps zum Verhalten in einer Verkehrskontrolle
Hat alles geklappt und du erhältst Cannabis auf Rezept, solltest du dich dennoch nicht gleich mit einem Joint hinter das Steuer setzen. Prüfe bitte stets vor Fahrtantritt, ob deine Fahrtüchtigkeit tatsächlich vorhanden ist, ansonsten kannst du trotz Patientenausweis deinen Führerschein verlieren. Zudem solltest du wissen, wie du dich als Cannabis-Patient in einer Verkehrskontrolle zu verhalten hast. Einen tollen Leitfaden mit wichtigen Tipps findest du beim Bund deutscher Cannabis-Patienten e.V.[4]
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